27.11.2024 - Berlin
Das Bundeskabinett hat am 27.11.2024 den vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Entwurf zu einem Gesetz zur Transformation des Vergaberechts beschlossen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht u.a. vor, dass Nachweispflichten für Unternehmen deutlich gesenkt, bürokratische Hürden abgebaut, Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert und Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden.
Im
Regierungsentwurf haben sich noch Änderungen gegenüber dem bisherigen Referentenentwurf insbesondere bei der Regelung zum Grundsatz der losweisen Vergabe in
§ 97 Abs. 4 GWB ergeben. Diese betreffen sowohl den Gesetzeswortlaut als auch
die Gesetzesbegründung. Zwischenzeitlich wurde der Regierungsentwurf auch auf den Seiten des BMWK veröffentlicht.
§ 97 Abs. 4 GWB
Nach wie vor können neben technischen und wirtschaftlichen Gründen auch „zeitliche“ Gründe die Gesamtvergabe mehrerer oder aller Lose rechtfertigen. Die Gesetzesbegründung stellt nun allerdings strengere Anforderungen an die Begründung einer Gesamtvergabe. So genügt „allein eine allgemeine Annahme einer Kausalität von Gesamtvergabe und Zeitersparnis […] in einer Begründung nicht“. Zudem wird in der Begründung klargestellt, dass es bei der Einzelfallprüfung und der damit grundsätzlich einhergehenden Begründungs- und Dokumentationspflicht bleibt, auch wenn daran keine allzu hohen Anforderungen mehr gestellt werden („rechtfertigen“ statt „erfordern“). Als Beispiele für zeitliche Gründe werden nun in der Begründung die integrierte Projektabwicklung sowie das serielle und modulare Bauen genannt.
Darüber hinaus wurde in § 97 Abs. 4 Satz 3 die Anforderungen an Auftraggeber bei der Vergabe von Unteraufträgen abgesenkt. Der Regierungsentwurf sieht lediglich vor, dass Auftraggeber im Falle einer ganzen oder teilweisen Gesamtvergabe Auftragnehmer verpflichten können (bisher: „sollen“), bei der Erteilung von Unteraufträgen die Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu berücksichtigen.
§ 103 GWB
Keine Gesetzesänderung gab es in dem für die gemeinsame Vergabe von Bau- und Planungsleistungen als „Bauauftrag“ mit der Möglichkeit einer anschließenden losweisen Vergabe. In der Begründung wurde aber zusätzlich nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass sich die Frage, ob der Bauauftrag mehrere Leistungen und gegebenenfalls auch Planungsleistungen umfasst, eine Frage des Einzelfalls ist. Für die Frage, ob ein einheitlicher Auftrag vorliegt, sei eine „funktionale Betrachtung“ heranzuziehen (vgl. EuGH, Entscheidung vom 15.03.2012, Autalhalle, C-574/10). Ein einheitlicher Gesamtauftrag liege demnach vor, sofern dessen Teilleistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen. Dabei könne der öffentliche Auftraggeber selbst entscheiden, ob er die notwendigen Planungsleistungen gemeinsam mit der Ausführung der geplanten Bauleistung ausschreibt oder nicht.
Die Bundesingenieurkammer hatte Anfang November 2024 eine Stellungnahme zum Vergabetransformationspaket abgegeben, die vom Arbeitskreis Vergabe unter dem Vorsitz von Dr.-Ing. Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, erarbeitet wurde.
Stellungnahme der Bundesingenieurkammer zum Vergabetransformationspaket vom 01.11.2024
Ob der Gesetzentwurf im Bundestag verabschiedet werden wird, ist noch völlig offen. Eine parlamentarische Mehrheit für den Gesetzentwurf ist nach derzeitiger Einschätzung eher unwahrscheinlich. Wir werden über den Fortgang des Gesetzgebungsvorhabens berichten.
Hier die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vom 27.11.2024 im Wortlaut:
Pressemitteilung Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vom 27.11.2024
Das Bundeskabinett hat heute den vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Entwurf zu einem Gesetz zur Transformation des Vergaberechts beschlossen. Der Gesetzentwurf wurde in einem intensiven Prozess mit allen Stakeholdern abgestimmt und ist das Ergebnis intensiver Aushandlungen. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen basieren maßgeblich auf den Vorschlägen und über 450 Stellungnahmen aller relevanten Fachkreise im Rahmen einer öffentlichen Konsultation im Jahr 2023. Dabei wurde insbesondere Wert auf die Vereinfachung der Vergabeverfahren und Abbau überschüssiger Bürokratie sowie auf einfach umsetzbare, praxisnahe Regelungen für eine nachhaltigere Beschaffung gelegt.
Dies ist der erste und wichtigste Baustein des Vergabetransformationspakets. Ziel ist eine weitreichende Entlastung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung. Einfache Vergabeverfahren helfen dabei, öffentliche Investitionen und die Bedarfsdeckung staatlicher Aufgaben schnell umzusetzen – gerade mit Blick auf dringend notwendige Infrastruktur- und Transformationsprojekte. Auch bei der Verteidigung und Sicherheit und für die Bundeswehr stehen dringliche Beschaffungen an, für die besondere Erleichterungen vorgesehen sind.
Auch sollen Innovationen in der öffentlichen Beschaffung gestärkt werden. Gerade die Chancen von jungen, kleinen und mittleren Unternehmen sollen verbessert werden; sie sollen mit dem Entwurf zukünftig mehr Berücksichtigung bei öffentlichen Aufträgen finden. Soziale und umweltbezogene Kriterien sollen bei den Vergabeverfahren im Regelfall mitgedacht und berücksichtigt werden. Die Anforderungen in der praktischen Anwendung für die Auftraggeber und die Unternehmen sollen dabei einfach und flexibel erfüllbar sein. Mit diesem Konzept soll die deutsche Wirtschaft im Wettbewerb um öffentliche Aufträge gestärkt werden und die Entwicklung grüner Leitmärkte, etwa bei Stahl und Zement gefördert werden.
Die öffentliche Beschaffung hat eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Aufträge mit einem Gesamtvolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich werden jährlich von öffentlichen Stellen vergeben.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass Nachweispflichten für Unternehmen deutlich gesenkt, bürokratische Hürden abgebaut, Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert und Nachprüfungsverfahren digitalisiert werden. Dadurch werden öffentliche Aufträge wieder attraktiver für die deutsche Wirtschaft und der Wettbewerb gestärkt.
Bei dem neuen Regelfall einer nachhaltigen Beschaffung können die Auftraggeber über die bestmögliche Umsetzung selbst entscheiden. Denn sie haben selbst das größte Praxiswissen, wie Nachhaltigkeit am besten in das Vergabeverfahren integriert wird. Die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit sind insgesamt einfach umsetzbar und an der Realität der Vergabepraxis orientiert.
Neben dem heute beschlossenen Vergaberechtstransformationsgesetz zur Reform der Regelungen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist eine Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung vorgesehen.
31.03.2025 | 15:00 - 17:00 Uhr | Online
Durch die Streichung des § 3 Abs. 7 S: 2 VgV und der damit einhergehenden stark gestiegenen Anzahl an VgV-Verfahren für Planungsleistungen, sehen sich der Großteil der Ingenieurinnen und Ingenieure mit der komplexen Materie des europarechtlichen Vergaberechts im Oberschwellenbereich konfrontiert. Das Seminar zeigt, worauf aus Bietersicht bei Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich geachtet werden muss, was die Rechte der Bieter sind und wie diese durchgesetzt werden können. Zudem werden aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung vermittelt.
Online-Lehrgang mit Prüfung in Präsenz in München | 07.05. bis 01.07.2025 |
Für die Vergabe von Ingenieurleistungen ist gerade die Expertise
der Ingenieure gefordert. Genau dafür wurde dieser praxisnahe Fortbildungslehrgang ins Leben gerufen.
Durch den in 6 halbtägigen Blöcken konzipierten
Lehrgang erweitern Ingenieur/innen ihr Tätigkeitsfeld, um
Vergabebeartungen nicht nur den Juristen zu überlassen, sondern als
Ingenieur die praxisbezogenen Erfahrungen und das erworbene Wissen aus
der Fortbildung als Expertise gezielt mit einzubringen. Mit der erfolgreichen
Teilnahme können Sie sich in die neue Liste „Qualifizierte
Vergabeberatende“ eintragen lassen.
Quellen: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Bundesingenieurkammer, Bayerische Ingenieurekammer-Bau, Grafik Vergaberecht: lhphotos / AdobeStock
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